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Annette & Joachim Schulmerich

Verleger

www.cocon-verlag.de

 

 

 

 

 

Kulturpreisträger des Main-Kinzig-Kreises 2013

Mitglieder des Vorstands des Hanauer Kulturvereins

ENTDECKE, WO DU LEBST,
so haben wir unser Verlagsprogramm überschrieben. Es gilt vor allem für uns selbst. Die umgebende Landschaft zu durchwandern oder per Rad zu erkunden verlangsamt den Lebensrhythmus und lässt Zeit für Beobachtungen und Entdeckungen.

Die Neugier erwacht und macht Lust, mehr zu erfahren. So schließt sich die Erkundung von
Geschichte, Kultur und Politik nahtlos an. Außer dem Verlag ist der Hanauer Kulturverein ein
wichtiger Teil unseres Lebens. Mit anderen Menschen zusammen etwas zu gestalten, zu diskutieren und zu organisieren gibt ein gutes Gefühl von Zusammengehörigkeit, und es bringt viel Spaß, eine schöne Veranstaltung zu kreieren.

Selbst etwas mitgestalten, eigenen Interessen einen Raum geben, ist für uns wichtig und Teil unseres Verständnisses von einem demokratischen Miteinander.

Auszug aus der Laudatio (Prof. Dr. Heinz Schilling) zur Verleihung des Kulturpreises des MKK:

[...].Das, was Annette und Joachim Schulmerich tun und wofür sie auch öffentlich wirken, möchte ich „gesellschaftliche Kreativität" nennen. Das ist ein wichtiger und unverzichtbarer Bestandteil von Kultur.

Vermutlich ist Ihnen der in unserer Gegend eher seltene Name Schulmerich doch schon begegnet; er kommt aus Rheinhessen und könnte etwas mit schulmeisterlich oder mit der klingenden Schelle zu tun haben, mit der der Ortsdiener früher die Bekanntmachungen ausgeschellt hat. In Hanau und Umgebung hat der Name Schulmerich einen besonderen Klang.

Annette Schulmerich wird 1954 in Rüdigheim geboren. Nach der Mittelschule macht sie eine Lehre als Arzthelferin. Das Abitur holt sie 1976 nach und beginnt ein Medizinstudium in Frankfurt, das sie 1983 mit dem Staatsexamen abschließt. Danach ist sie angestellte Ärztin, spezialisiert sich und ist seit 1993 in Hanau niedergelassen als Fachärztin für psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Sie ist bis heute aktiv in ihrer Arztpraxis tätig.

Joachim Schulmerich, geboren 1943 in Frankfurt, legt mit 20 das Abitur dort ab und beginnt nach dem Wehrdienst Betriebswirtschaft und Mathematik in Frankfurt und Mainz zu studieren. Diplom 1971. Danach ist er wissenschaftliche Hilfskraft und arbeitet – spezialisiert auf dem EDV-Sektor – in der Strukturabteilung des alten Landkreises Hanau. Es folgen nahezu zwei Jahrzehnte Tätigkeit als Lehrer für Informatik an den Kaufmännischen Schulen in Hanau und später, kurz vor der Pensionierung 2005, weitere drei Jahre.[...].

Nun aber zu der Frage: Was meint eigentlich „Gesellschaftliche Kreativität"? Dafür ist der Hanauer Kulturverein, zu dem das Ehepaar Schulmerich früh schon stieß und bis heute aktiv bleibt (ich setze hier ein Ausrufezeichen) – dieser Kulturverein ist ein Beispiel für soziokulturelles Zusammen-etwas-Machen. Annette Schulmerich war 18 Jahre lang Erste Vorsitzende des Vereins, das heißt: für eine so lange Zeit meist dafür bekannt im Kulturleben von Stadt und Land.

Dass es den Kulturverein seit jetzt 36 Jahren gibt, ist das Werk von vielen und auch ein Teil der Lebensleistung der beiden Preisträger. Er ist jedoch darüber hinaus ein lokales Beispiel für die – wörtlich jetzt – „Kultur"geschichte der Bundesrepublik seit den 70er Jahren, die mit Begriffen wie Alternativkultur, Kulturelle Bildung oder Kulturinitiativen einhergeht.[...].

Den Hanauer Kulturverein hat meine Studentin Heidrun Merk damals als „Modell" untersucht – als Beispiel für eine der Stadt abgetrotzte und letztlich akzeptierte Alternative – ideenreich, gemeinschaftlich und gegen den Mainstream, also: gegenströmig. Typisch war oft die Identität von Machern und Publikum bei den Veranstaltungen. Ganz viele Aktive machten diesen Verein, genährt aus dem linken Spektrum der Bürgerschaft, zu dem, was er dann war: gesellschaftlich anerkannt. Und, kleines Wunder: Hanaus Rathaus bekam sogar einen Dezernenten extra für Kultur.

Ich bringe das in Erinnerung, um einen roten Faden zu ziehen zum Thema Literatur. Damit ist die Literatur gemeint, die der Hanauer Verlag mit dem schönen Namen Cocon hervor- und unter die Leute bringt. Und wer ist Cocon? Annette und Joachim Schulmerich mit ihrem kleinen Team. Der Verlagssitz ist im Haus Nummer 13 der Straße mit dem schönen Namen „In den Türkischen Gärten", ein Gebäude der vorletzten Jahrhundertwende und voll mit – voll mit Kultur. Hinterm Haus dort fließt die Kinzig, und wer vorne vorbeikommt ahnt kaum, wie produktiv man in diesem Gebäude seit nunmehr 23 Jahren ist: Rund 240 Bände sind hieraus hervorgegangen, hervorgegangen auch aus einer Utopie und basierend auf einem Satz mit vier Worten: Entdecke, wo du lebst. Das ist die Einladung zu einer erfahr-baren (man kann das wörtlich nehmen) Heimatkunde neuen Stils, ist Reiseführer und gedruckter Fremdenführer, allerdings nicht „Lonely Planet" sondern „Our Planet". Kein Imperativ, sondern Einladung, Einblick zu nehmen in die Geschichte von Orten und Menschen und in deren Gegenwart. Einen sanften Aufforderungscharakter hat dieses „Entdecke": Du musst nicht, aber du kannst – etwas machen. Nach-Wandern, Nach-Radeln, Nachkochen. Das ist die sehr anwendungsorientierte Spur im Programm des Verlags, dessen allererster Band 1990 mit dem Buchtitel „Besuch beim Nachbarn Thüringen" erschien, ein Fahrradbuch und Wegweiser in eine Welt, die bis dahin ein weißer Fleck auf dem Globus war, womit der Pädagoge in Joachim Schulmerich die Idee mit den Schülerprojekten wieder aufgriff. Das Er-wandern und Er-fahren einer Landschaft ist ein ganz besonderer Aneignungsprozess, wobei etwas über die Muskelkraft hinaus der eigenen Erinnerung sich einlagert, Naturerfahrung, die man – auch als Lustgewinn – mit nach Hause nimmt. Die zahlreichen Cocon-Wanderbücher über das Kinzig- und das Maintal, über Kahlgrund und Wetterau und Spessart lassen, denke ich, die Vorstellung einer integralen Region entstehen. Einer Region, die sich – beispielsweise über Kochbücher und Gastroguides – geografisch erweitern lässt, aber im Kern doch bei sich bleibt, in einem heimatlichen Halbkreis östlich von Frankfurt. Joachim Schulmerich sagt: „Wir leben unsere Bücher. Übern Vogelsberg zu schreiben oder übern Kahlgrund – das ist was, was uns persönlich ein halbes Jahr bewegt. Wir reden viel mit den Autoren, wandern oder fahren selbst Strecken nach. Es ist mehr, als das Buch zu machen."[...].


Montag, 02. Mai 2016